Muss – zumindest bei leichteren Jugendstraftaten – für die Verhängung einer Jugendstrafe neben der Schwere der Schuld stets auch eine Erziehungsbedürftigkeit vorliegen? Der 5. Strafsenat des BGH hält dies für unnötig und hat jetzt seine Schwestersenate gefragt, ob sie an gegenteiliger Rechtsprechung festhalten.
Zwei Jugendliche waren beim G-20-Gipfel in Hamburg im Sommer 2017 vermummt bei einer „Protestdemo“ des linksradikalen „Schwarzen Blocks“ mitmarschiert. Es wurden unter anderem Mülltonnen sowie private Autos angezündet und Glasscheiben eingeworfen. Die Jugendstrafkammer beim Landgericht Hamburg verurteilte sie deswegen wegen Landfriedensbruchs (§ 125 StGB) in Tateinheit mit Beihilfe zur Brandstiftung zu je 15 Arbeitsdiensten à je sechs Stunden. Zwar bejahte das LG die Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG. Von einer Jugendstrafe sah es dennoch ab. Bei den jungen Männern bestehe keine Erziehungsbedürftigkeit mehr, so die Begründung. Diese Voraussetzung müsse – jedenfalls solange es nicht um schwerste Straftaten gehe – ebenfalls vorliegen. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Revision ein.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 13.09.2023 – 5 StR 205/23) setzte die Hauptverhandlung aus. Er möchte die Verurteilung aufheben, da – unabhängig von der Art des Delikts und der Frage der Erziehungsbedürftigkeit – immer dann eine Jugendstrafe zu verhängen sei, wenn die Schwere der Schuld dies erfordere. Zugleich hat er bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie an – gegebenenfalls – entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
Die Karlsruher Richterinnen und Richtern stellen die Rechtsprechung des 1. bis 4. Strafsenats dar, wobei die Linie teilweise wechsele. So habe der 3. Strafsenat zunächst mehrfach vertreten, dass eine Jugendstrafe nur bei Vorliegen von Erziehungsdefiziten in Betracht komme (BGH, Urteil vom 09.08.2000 – 3 StR 176/00), während er dies bei späteren Entscheidungen differenzierter gesehen habe. Zuletzt (Beschluss vom 11.07.2017 – 3 StR 107/17) sei er zu seiner ursprünglichen Linie zurückgekehrt.
BGH, Beschluss vom 13.09.2023 – 5 StR 205/23
Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H.BECK, 31. Oktober 2023
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