Mit Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 08.08.2006 wurde Herr Mollath, dem u.a. gefährliche Körperverletzung, Freiheitsberaubung mit Körperverletzung und Sachbeschädigungen zur Last gelegen hatten, zwar wegen nicht ausschließbarer Schuldunfähigkeit freigesprochen. Jedoch ordnete das Gericht die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus an, weil es ihn – gestützt auf ein Sachverständigengutachten – aufgrund einer psychischen Erkrankung für gefährlich hielt. Die hiergegen eingelegte Revision wurde vom BGH als offensichtlich unbegründet verworfen. Das Urteil war damit rechtskräftig und wurde zuletzt im Bezirkskrankenhaus Bayreuth vollstreckt. Im Februar bzw. März 2013 beantragten ein neuer Verteidiger des Untergebrachten und die Staatsanwaltschaft Regensburg bei dem hierfür zuständigen LG Regensburg die Wiederaufnahme des Verfahrens. Eine zweite Verteidigerin schloss sich diesen Anträgen im Juli 2013 an.
Mit Beschluss vom 24.07.2013 wurden die Wiederaufnahmeanträge der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft vom LG Regensburg als unzulässig verworfen. Hiergegen legten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidiger Beschwerde ein.
Das OLG Nürnberg hat die Entscheidung des LG Regensburg aufgehoben, gleichzeitig die Erneuerung der Hauptverhandlung an und das Verfahren zur Durchführung der neuen Hauptverhandlung an das LG Regensburg zurückverwiesen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die Entscheidung auf § 359 Nr. 1 StPO zu stützen. Danach sei die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens zulässig, wenn eine in der Hauptverhandlung zu Ungunsten des Verurteilten vorgebrachte Urkunde „unecht“ sei. Unecht sei eine Urkunde dann, wenn sie auf einen Aussteller hinweise, von dem die Erklärung tatsächlich nicht stamme. Als solche im juristischen Sinne „unechte Urkunde“ sei ein ärztliches Attest vom 03.06.2002 zu werten. Dieses Attest sei zwar von einem approbierten Arzt verfasst und ausgestellt worden, der zudem die zugrunde liegende Untersuchung persönlich durchgeführt habe. Das Attest selbst nenne aber nur den Namen der Praxisinhaberin, so dass der Eindruck entstanden sei, diese gebe ihre eigenen Feststellungen wieder. Durch übermäßige Vergrößerung der Urkunde könne zwar festgestellt werden, dass der Unterschrift ein Vertretungshinweis („i.V.“) beigefügt sei. Auf dem Attest in Originalgröße sei dieser Zusatz aber weder für das Oberlandesgericht noch – soweit ersichtlich – für die Verfahrensbeteiligten im Ausgangsverfahren erkennbar gewesen. Zwar sei es in verschiedenen Rechtsbereichen zulässig, dass der Vertreter eine von ihm ausgestellte Urkunde sogar mit dem Namen des Vertretenen unterschreibe, wenn dieser damit einverstanden sei. Dann müsse nicht einmal auf die Vertretung hingewiesen werden. Anders sei dies, wo nicht geschäftliche Erklärungen abgegeben würden, sondern jemand seine höchstpersönlichen Wahrnehmungen wiedergebe, Bei solchen Erklärungen könne es keine zulässige Stellvertretung geben. So liege der Fall hier. Das Attest sei daher im Sinne des § 359 Nr. 1 StPO „unecht“.
Wegen der Bedeutung des Attests für die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung sei eine Auswirkung dieses Umstandes auf die Ausgangsentscheidung nicht auszuschließen. Da schon dieser Wiederaufnahmegrund durchgreife komme es auf andere in den Wiederaufnahmeanträgen genannte Gesichtspunkte nicht mehr an. Mit der Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens sei die Rechtskraft des Urteils aus dem Jahr 2006 entfallen und damit auch die Grundlage der Vollstreckung. Infolgedessen sei der Untergebrachte unverzüglich zu entlassen.
Im Rahmen der erneuerten Hauptverhandlung werde nunmehr eine andere Kammer des LG Regensburg neu über die damaligen Anklagevorwürfe zu entscheiden haben. Sollten sich diese bestätigen, sei auch zu prüfen, ob die seinerzeit angenommene Gefährlichkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung tatsächlich bestehe.
Quelle: juris GmbH
Eine Antwort hinterlassen