Eine Teillegalisierung einerseits, ein alter Grenzwert für die „nicht geringe Menge“ andererseits, über den sich Bundestag und BGH uneins sind. Die Bundesrechtsanwaltskammer macht dazu einen Reformvorschlag und lässt kein gutes Haar am Gesetzgeber.
Durch das Konsumcannabisgesetz (KCanG) vom 27.03.2024 wurden die Strafbarkeiten in Verbindung mit Cannabis neu geregelt. Was es aber weiter gibt, ist das Tatbestandsmerkmal der „nicht geringen Menge“ in § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG, das die in Abs. 1 dieser Vorschrift gelisteten Taten als besonders schweren Fall deklariert, wenn es um eine „nicht geringe Menge“ geht.
Problematisch erscheint jedoch, dass der Gesetzgeber nicht sagt, wann eine Menge gering ist und ab wann nicht mehr – er geht lediglich davon aus, man könne an dem bisher von der Rechtsprechung entwickelten Wert wegen der Legalisierung nicht mehr festhalten, der Grenzwert müsse „deutlich höher liegen als in der Vergangenheit“, so heißt es in der Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber setzt damit eine Zielvorgabe zur Neuentwicklung eines Wertes. Der BGH dagegen sieht keinen Anlass, von seinem bisher angenommenen Grenzwert von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) abzurücken. Denn die Gesetzesbegründung enthalte zu wenige Informationen und Ausführungen, auf die sich eine Berechnung stützen ließe.
Für die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) ist so eine „evident widersprüchliche Situation“ entstanden. Sie fordert den Gesetzgeber daher zum Handeln auf und berichtet über eigene Vorschläge, die der Strafrechtsausschuss der BRAK aufgrund entsprechender Anfragen aus der Praxis auf einer Tagung entwickelt habe.
Neufassung der BRAK
Die BRAK ist der Ansicht, dass die aktuell geltenden Normen nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG genügen. Sie erläutert, dass der Gesetzgeber aus ihrer Sicht – wie im Fall der „nicht geringen Menge“ – zwar „normative Tatbestandsmerkmale verwenden darf, um der Vielgestaltigkeit möglicher Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können“. Ohne Neubestimmung eines THC-Grenzwertes sei die Situation unter Gesichtspunkten der Gewaltenteilung aber „dauerhaft nicht hinnehmbar“. Denn sei laut BGH eine Ausfüllung des Rechtsbegriffs „unmöglich“, hat dies für die BRAK „denknotwendig“ dessen Unbestimmtheit zur Folge.
Weiter führt die BRAK aus, den Gesetzgeber treffe in diesem Bereich ein Delegationsverbot – nur der Gesetzgeber habe zu entscheiden, was strafbar sei und was nicht. Überlasse er die Entscheidung über die Strafbarkeit eines Verhaltens allein dem BGH, sei dies unvereinbar mit dem Basisprinzip, dass die Entscheidung über die Beschränkung von Grundrechten nur der Legislative überlassen sei. Diesen Grundsätzen genüge der Strafgesetzgeber nur dann, „wenn seine Gesetze auch die Anforderungen an die Strafbarkeit so präzise umschreiben, dass sie dem Richter tatsächlich valide Bindungen auferlegen“. Diese Vorgabe sieht die BRAK gegenwärtig nicht erfüllt und macht daher einen Vorschlag zur Neuregelung des § 34 KCanG.
Der Ansatz der BRAK: Das Gesetz soll auf das Tatbestandsmerkmal der „nicht geringen Menge“ verzichten. Es bestehe keine Regelungsnotwendigkeit des Begriffs. Bei außergewöhnlich großen Mengen könne ein unbenannter besonders schwerer Fall angenommen und dem erhöhten Ahnungsbedürfnis dadurch Rechnung getragen werden, führt die Kammer in ihrer Begründung aus. § 34 Abs. 3 Nr.4 KCanG sei deshalb ersatzlos zu streichen.
Im Ergebnis verlagere dies die Problematik der „nicht geringen Menge“ von der Tatbestandsseite in den Bereich der Strafzumessung. Dahin, „wo das Problem dem Willen des Gesetzgebers nach ohnehin besser verortet wäre“, betont die BRAK. Auch die Qualifikation aus § 34 Abs. 4 KCanG will sie als Regelbeispiel formulieren, wodurch die Strafzumessung flexibler gestaltet werde.
Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H.BECK, 6. August 202
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