Die Entscheidung über eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 Abs. 1 StGB setzt eine sorgfältige Prüfung voraus. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob die begründete Erwartung besteht, dass der Angeklagte zukünftig keine Straftaten mehr begeht. Es geht nicht allein um eine „Sozialprognose“, sondern um eine umfassende Bewertung der individuellen Lebensumstände und Verhaltensänderungen des Angeklagten.
Wesentliche Kriterien:
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Positive Zukunftserwartung: Zum Zeitpunkt der Verhandlung muss erkennbar sein, dass der Angeklagte zukünftig straffrei leben wird. Dies gilt insbesondere bei wiederholten Straftaten und vorangegangenen Bewährungsbrüchen.
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Veränderung der Lebensumstände: Bei einer schweren Vorstrafenlage – wie etwa mehrfachen Verstößen gegen Bewährungsauflagen – ist eine Strafaussetzung zur Bewährung nur gerechtfertigt, wenn sich die Ursachen für die bisherige Delinquenz nachweislich geändert haben.
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Kein Einfluss familiärer Belange: Persönliche oder familiäre Härten des Angeklagten, wie erhebliche Belastungen für seine Angehörigen, sind bei der Beurteilung einer günstigen Legalprognose rechtlich nicht ausschlaggebend.
Praxisbeispiel: Entscheidung des BayObLG vom 15.09.2023 (202 StRR 47/23)
Im zugrunde liegenden Fall wurde ein Angeklagter wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Zusätzlich ordnete das Gericht eine isolierte Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von 1 Jahr und 6 Monaten an. Das Landgericht setzte die Freiheitsstrafe in der Berufung zur Bewährung aus, obwohl der Angeklagte mehrfach straffällig geworden war und bereits unter Bewährung stand.
Die Staatsanwaltschaft legte Revision ein und bekam recht. Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte fest, dass bei einer negativen Prognose – etwa durch wiederholte Verstöße gegen das Gesetz – eine Strafaussetzung zur Bewährung nur dann möglich ist, wenn sich wesentliche Umstände im Leben des Angeklagten geändert haben. Eine bloße Berufung auf persönliche Härten oder familiäre Belange reicht nicht aus.
Fazit
Die Strafaussetzung zur Bewährung nach § 56 Abs. 1 StGB erfordert eine klare, positive Legalprognose. Wiederholte Straftaten und Bewährungsbrüche stellen dabei erhebliche Hürden dar, die nur durch grundlegende Änderungen im Verhalten und in den Lebensumständen des Angeklagten überwunden werden können.
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